Onlinesucht
Onlinesucht ist eine Suchtform, die zu den nicht-stoffgebundenen Abhängigkeiten, wie zum Beispiel Spielsucht, zählt. Dr. Kimberly Young, Forscherin der ersten Stunde auf diesem Gebiet in den USA, versteht unter dem Begriff ein breites Spektrum von Verhaltensweisen und Impulskontrollproblemen:
- den exzessiven Konsum von Chat- und Kommunikationssystemen
- das stundenlange Spielen und Handeln übers Netz
- das zwanghafte Suchen nach Informationen im Netz und das Erstellen von Datenbanken
- das stundenlange Konsumieren von Sexseiten
Young zählt auch die zwanghafte Beschäftigung mit dem Computer an sich zu dieser Sucht.
Warnzeichen für eine Online-Sucht
- Internet und/oder Smartphone bestimmen gedanklich wie handlungsmässig alles (Einengung des Verhaltensraumes).
- Verlust der Kontrolle über das Zeitmass des «Onlineseins»
- Psychische Entzugserscheinungen (Nervosität, Reizbarkeit, Unzufriedenheit)
- Zwang, so oft als möglich ins Netz einzuloggen oder ans Smartphone zu gehen (Toleranzerweiterung)
- Bagatellisierung und Verleugnung des Ausmasses von Internet- bzw. Nutzung des Smartphones
- Negative Auswirkungen im psychosozialen Bereich (Familie und Freunde), im Arbeitsleben (Leistung) und im Freizeitverhalten
- Negative Auswirkungen auf die Gesundheit (Unterdrückung des Schlafbedürfnisses, Essgewohnheiten)
Mindestens fünf der genannten Kriterien müssen erfüllt sein, um von einer Onlinesucht zu sprechen. Besonders gefährdet erscheinen Menschen, denen es nicht gelingt, befriedigende soziale Kontakte aufzubauen, unabhängig davon, ob sie in einer Beziehung, Familie oder alleine leben.
Was können Betroffene tun?
Für einen Teil der Onlinegamer und Chatter ist die Realität nach dem Ausstieg oder der massiven Reduktion ihres Konsums nur schwer zu ertragen, sodass sie ihn nur mit grossen Anstrengungen und Unterstützung des Umfelds schaffen. Schliesslich haben sie einen grossen Teil ihrer Freizeit im Netz verbracht und sind sozial oft isoliert.
Es braucht viel Mut, das eigene Problem ernst zu nehmen und sich einzugestehen, dass man mit dem Netz nicht mehr zurechtkommt. Damit ist allerdings der wesentliche Schritt bereits gemacht.
Konkrete Massnahmen für einen Ausstieg:
- Buch führen über die Onlinezeit
- Ziele über Onlinezeit formulieren
- Computer immer ganz hinunterfahren (kein Standby!); Rechner nicht in unmittelbarem Sichtbereich in der Wohnung positionieren
- Problematische Bereiche konsequent meiden
- Gespräch mit anderen ausstiegswilligen Betroffenen oder mit einer Fachperson suchen Freizeitbeschäftigung oder Aufgaben in Angriff nehmen, die dem Leben einen neuen Sinn geben
Aus einer Sucht auszusteigen, ist ein schwieriges Unterfangen und braucht manchmal mehrere Anläufe, bis eine Heilung erfolgt. Dazu kommt, dass es viele ohne fremde, meist professionelle Hilfe nicht schaffen. Das ist zwar kränkend, aber oft der einzig gangbare Weg.
Was können die Angehörigen oder Lehrpersonen tun?
Von Aussenstehenden wird vor allem bemerkt, dass sich Betroffene zurückziehen, den realen Kontaktmöglichkeiten ausweichen und mit dem Argument, dass sie keine Lust und Zeit oder viel zu tun hätten, andauernd am Computer sitzen. Für die Betroffenen selber ist es nicht einfach, sich das Problem einzugestehen, ohne es zu verharmlosen. Hier liegt jedoch der erste wesentliche Schritt für eine Veränderung oder Therapie, bei dem Bezugspersonen wie Lehrerinnen und Lehrer sehr hilfreich sein können. Erst wenn Jugendliche realisieren, dass sie den Konsum nicht mehr im Griff haben, ergibt sich die Bereitschaft, konkrete Schritte zu unternehmen. Dabei ist es wichtig, dass Bezugspersonen bestimmt und interessiert der betroffenen Person begegnen. Es gilt herauszufinden, was die Betroffenen im Netz finden, das sie in der Realität nicht umsetzen können. Die Bezugspersonen sollen mitteilen, wie sie die Abhängigkeit der Betroffenen erleben und welche Gefahren sie für die zukünftige Entwicklung sehen.
Nicht geeignete Massnahmen:
- Computer sabotieren (aus dem Fenster werfen usw.) oder kontrollieren
- Moralpredigt oder Vorwürfe
Hilfreiches Vorgehen:
- Erfragen, was die/der Betroffene genau macht, was sie/ihn dabei fasziniert
- Sich interessieren, was sie/er im Netz sucht und findet und in der Realität nicht bekommt
- Mitteilen, wie das als Lehrperson erlebt wird (Ich-Botschaften)
- Gemeinsame Sitzung mit Jugendlichen und Eltern
- Realistische Zeiteinschätzung, Konfrontation
- Abmachungen über Zeitdauer
- Beratungsstelle aufsuchen