Junge Menschen outen sich aufgrund gesellschaftlicher und rechtlicher Fortschritte sowie einem verbesserten Zugang zu Informationen häufiger. Somit ist insbesondere das Umfeld Schule ein Ort, an dem queere Kinder und Jugendliche sichtbar sind. Vor dem Coming-out kann speziell das Umfeld einen entscheidenden Beitrag zur Gesundheit und dem Wohlergehen von Jugendlichen leisten. Dies erfordert einerseits thematisches Wissen und andererseits einen strukturell verankerten positiven Umgang mit Vielfalt.
Wissen zu Vielfalt
Die Vielfalt der sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten ist gross. Diese Vielfalt wird mit Kürzeln wie «LGBT», «LGBTI» oder «LGBTIQA+» erfasst. LGBT ist eine aus dem englischen Sprachraum kommende Abkürzung, die für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender – also lesbische, schwule, bisexuelle und trans Menschen – steht. Es geht dabei sowohl um die sexuelle Orientierung (LGB), als auch um die Geschlechtsidentität (T). Heute wird der Term häufig durch IQA+ erweitert: I für «intergeschlechtlich», Q für «queer» und A für «asexual». Mit dem Plus werden alle weiteren geschlechtlichen Identitäten und sexuellen Orientierungen inkludiert. Bei Trans- und Intergeschlechtlichkeit handelt es sich um eine Frage der Geschlechtsidentität bzw. der körperlichen Ebene und nicht um eine sexuelle Orientierung. Trans Menschen können sowohl eine heterosexuelle als auch eine bi- oder homosexuelle Orientierung haben. Heute wird häufig das englische Wort «queer» (DE: seltsam oder sonderbar) als positives Synonym für LGBTIQA+ verwendet. Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität sind Spektren mit unterschiedlichen Nuancen. Diese Dimensionen sind voneinander unabhängige und unterschiedliche Aspekte.
Die sexuellen Rechte sind Teil der Menschenrechte und gelten für alle Menschen. Alle haben das Recht, ihre Geschlechtsidentität und Sexualität lustvoll und frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt zu leben. Dazu gehört das Recht auf Bildung und Information. Das bedeutet, dass Kinder und Jugendliche das Recht auf eine umfassende Sexualerziehung haben. Der Zugang zu notwendigen und nützlichen Informationen muss gewährleistet sein, damit junge Menschen als informierte Akteur*innen Verantwortung für ihr Leben übernehmen können. Auch das Recht auf Gleichstellung, gleichen Schutz durch das Gesetz und Freiheit von allen Formen von Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Sexualität oder Gender gehört dazu.
Umgang mit Vielfalt an Schulen
Die Schule ist ein Ausbildungs- oder Arbeitsort für eine Vielzahl von Menschen, darunter viele LGBTQ+ Personen. Ein Forschungsprojekt der Universität Bern aus dem Jahr 2024 zur Situation von LGBTQ+ Jugendlichen in Deutschschweizer Schulen (https://www.izfg.unibe.ch/forschung/laufende_projekte/sogus/index_ger.html) zeigte, dass insbesondere jüngere LGBTQ+ Personen häufig Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt sind. Erschwerend kommt hinzu, dass ihnen oftmals die Unterstützung ihres Umfelds (Eltern, Freund*innen usw.) fehlt. Diese Ausgangslage führt zu einer erhöhten psychischen Belastung mit teils drastischen Folgen (Schulabbruch, psychische Schwierigkeiten, erhöhte Suizidalität etc.). Besonders stark unter Druck stehen mehrfach diskriminierte LGBTQ+ Personen, die zusätzlich Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Religion, Beeinträchtigung oder anderer Diskriminierungsformen (intersektionelle Diskriminierung) erfahren. Die Schule ist in der Verantwortung, eine diskriminierungsfreie und unterstützende Lernatmosphäre zu schaffen. Sowohl Schüler*innen als auch Mitarbeitende haben das Recht, ihre eigene Geschlechtsidentität zu leben und ihre sexuelle sowie romantische Orientierung auszudrücken.
Was kann eine Schule tun, um die Situation für LGBTQ+ Jugendliche zu verbessern? Der Leitfaden von «Lehrplan Q» (https://lehrplanq.ch/schulendervielfalt) bietet Handlungsempfehlungen zu fünf Schwerpunkten:
1. Ein unterstützendes Klima schaffen
2. Diskriminierung vorbeugen
3. Auf Diskriminierung reagieren
4. Entwicklung und Sichtbarmachung von Ressourcen
5. Vielfalt normalisieren und feiern
Es braucht somit strukturelle Massnahmen und inhaltliche Auseinandersetzung. Wichtig ist dabei, dass es primär um den Schutz von queeren Kindern und Jugendlichen geht. Dabei ist das Thema Vielfalt auch für cis-hetero Personen ein Gewinn. Sie lernen, respektvoll mit unterschiedlichen Menschen umzugehen und zu akzeptieren, dass Menschen sehr vielfältig sein können und dürfen. Das Wissen zum Thema Vielfalt hat keinen Einfluss auf die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität von Menschen. Es kann sie jedoch ermutigen, die eigene Identität zu leben und andere so zu akzeptieren, wie sie sind.