Eine sexuelle Belästigung liegt grundsätzlich vor, wenn eine Person gegen ihren Willen mit einem Verhalten konfrontiert wird, das einen sexuellen Bezug aufweist.
Sexuelle Belästigung kann sich an verschiedenen Orten, zum Beispiel in der Freizeit, in der Schule oder Ausbildung, im Ausgang oder auf Social Media ereignen und von unterschiedlichen Personen ausgehen.
Sexuelle Belästigung kann in Worten, Gesten oder Taten ausgeübt werden.
Beispiele
Beispiele für sexuelle Belästigung sind:
- obszöne Bemerkungen (sexistische Witze, anzügliche Sprüche, belästigende Telefonate etc.)
- herabwürdigende Blicke und Gesten
- unerwünschte Körperkontakte (scheinbar zufällige Berührungen, Begrapschen etc.)
- pornografisches Material vorzeigen (obszöne Bilder aufhängen, Pornos auf Handys, per E-Mail etc.)
- unerwünschte Einladungen mit eindeutiger Absicht
- Versprechen von Vorteilen, um eine sexuelle Handlung zu erzwingen
Flirt oder sexuelle Belästigung? – Wo liegen die Unterschiede?
Die Grenze zwischen harmlosem Flirt, freundschaftlichem Umgang und sexueller Belästigung scheint auf den ersten Blick manchmal schwierig zu ziehen. Doch es gibt eine einfache Regel: Ausschlaggebend ist nicht die Absicht der agierenden Person, sondern wie ihr Verhalten bei der betroffenen Person ankommt. Sobald sich eine Annäherung nicht für alle Beteiligten gut anfühlt, überschreitet die handelnde Person eine Linie und muss aufhören. Ansonsten verletzt sie die Integrität des Gegenübers und macht sich unter Umständen strafbar.
Sexuelle Belästigung ist nach Art. 198 StGB strafbar. Der Artikel besagt: «Wer vor jemandem, die dies nicht erwartet, eine sexuelle Handlung vornimmt und dadurch Ärgernis erregt, wer jemanden tätlich oder in grober Weise durch Worte sexuell belästigt, wird, auf Antrag, mit Busse bestraft.»
Sexuelle Belästigung muss von der betroffenen Person angezeigt werden, damit die Tat verfolgt werden kann.
Folgende Auflistung hilft, sexuelle Belästigung von einem Flirt oder einer anbahnenden Beziehung zu unterscheiden:
Ein Flirt…
- ist eine gegenseitige Entwicklung
- ist aufbauend, bestärkend
- ist von beiden Seiten erwünscht
- stärkt das Selbstwertgefühl
- löst Freude aus
- respektiert die persönlichen Grenzen
Sexuelle Belästigung...
- ist eine einseitige Annäherung
- ist erniedrigend, beleidigend
- ist von einer Person nicht erwünscht
- untergräbt das Selbstwertgefühl
- löst Ärger aus
- verletzt persönliche Grenzen
Was steckt hinter sexueller Belästigung?
Das Hauptmotiv, welches häufig hinter sexueller Belästigung steht, ist die Ausübung von Macht, Dominanz und Erniedrigung. Mit Lust oder sexueller Anziehung hat sexuelle Belästigung nichts zu tun. Die sexuelle Ebene bietet sich an, weil die Opfer in diesem Bereich besonders verletzbar sind.
Wie sieht eine sinnvolle Prävention / Intervention in diesem Bereich aus?
Sexuelle Belästigung macht auch vor Kindern und Jugendlichen nicht Halt. Erwachsene, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sind aufgefordert, sexuelle Belästigung zum Thema zu machen, präventive Massnahmen zu ergreifen, heikle Situationen adäquat einzuschätzen und angemessene Unterstützung zu bieten. Doch wie gelingt dies?
Grenzüberschreitendes, belästigendes Verhalten wird nicht selten von traditionellen, wenig reflektierten Geschlechterrollenbildern gefördert, die durch Medien, wie zum Beispiel Filme, Musik-Videos oder Social-Media, vermittelt werden. Hier können Fach- bzw. Bezugsperson ansetzen:
Setzen Sie sich selbst mit Fragen rund um Geschlecht(errollen), Diskriminierung und Gleichstellung auseinander, bilden Sie sich weiter und bauen Sie Know-How auf. Denn Wissen stärkt die Fähigkeit zu erkennen, Erkennen stärkt die Fähigkeit zu handeln.
Thematisieren und reflektieren Sie auf partizipative, interaktive Art und Weise mit den Kindern und Jugendlichen Geschlechterrollen sowie deren Einfluss auf den Umgang mit- resp. untereinander. Zeigen Sie vielfältige Geschlechterrollen auf und betonen Sie die Wichtigkeit, sich stets mit Respekt und auf Augenhöhe zu begegnen.
Ebenso essentiell ist die Auseinandersetzung mit eigenen und fremden Grenzen und Bedürfnissen. Kinder und Jugendliche sollen ihre eigenen Grenzen kennenlernen und befähigt werden, diese auch zu kommunizieren. Kinder und Jugendliche sollen ermutigt werden, klar und deutlich «Nein» oder «Stopp» sagen zu können, wenn sie sich unwohl oder in Bedrängnis fühlen. Gleichermassen gilt es zu merken, dass auch die Grenzen anderer respektiert und nicht überschritten werden sollen.
Auch Zivilcourage kann mit Kindern und Jugendlichen zum Thema gemacht und trainiert werden. Üben Sie mit Kindern und Jugendlichen zivilcouragiertes Handeln und ermutigen Sie sie, grenzüberschreitendes, belästigendem Verhalten konstruktiv und wirksam entgegenzutreten. So gewinnen die Kinder und Jugendlichen Selbstvertrauen und Mut – als beobachtende Personen, aber auch als betroffene Personen.
Damit sich Kinder und Jugendliche in konkreten Situationen Hilfe holen und sich Bezugspersonen anvertrauen, ist eine vertrauensvolle Atmosphäre extrem wichtig. Kinder und Jugendliche sollen sich ernst genommen und mit ihren Anliegen gut aufgehoben fühlen.
Bewahren Sie bei Verdachtsfällen oder konkret beobachteten Situationen Ruhe, hören Sie gut zu und begegnen Sie der Person als auch dem Erzählten mit Sorgfalt und Feingefühl.
Auch die weiteren, intervenierenden Schritte gilt es mit Vorsicht zu begehen. Der Umgang mit solchen Situationen ist herausfordernd und kann Fragen aufwerfen. Scheuen Sie nicht davor zurück, sich professionelle Unterstützung und Hilfe zu holen – es gibt zahlreiche Fachpersonen, die Sie in solchen Situationen beraten können.
Welche Präventionsangebote gibt es?
- Auf der Website der kantonalen Gleichstellungsförderung finden sich unterschiedliche Präventionsangebote (Programme, Workshops, Wanderausstellungen, etc.), die sich für den Einsatz im schulischen Kontext, in der offenen und verbandlichen Jugendarbeit und in sozialpädagogischen Institutionen eignen.
Zur Website: Gewalt in jugendlichen Paarbeziehungen | sg.ch
- Des Weiteren bietet die kantonale Gleichstellungsförderung in Zusammenarbeit mit der Stiftung Kinderdorf Pestalozzi das Radioprojekt «Let's Talk About Gender» an. Im Projekt gestalten Jugendliche ihre eigenen Radiosendungen rund um das Thema Gender. Dabei setzen sie sich mit Geschlechterrollen und Gleichstellung auseinander und reflektieren gemeinsam Klischees und grenzüberschreitendes Verhalten. Auf spielerische Art und Weise sensibilisiert «Let's Talk About Gender» für Diversität und einen respektvollen Umgang miteinander und setzt so ein Zeichen gegen Sexismus.
Das Projekt ist für alle St.Galler Oberstufen- und Mittelschul-Klassen wie auch für die ausserschulische Jugendarbeit entwickelt worden und wird von der Abteilung Integration und Gleichstellung des Kantons St.Gallen mitfinanziert.
Mehr Informationen: Let's Talk About Gender | Kinderdorf Pestalozzi
Wo erhalte ich fachliche Unterstützung zum Thema?
- Abteilung Integration und Gleichstellung
Spisergasse 41
9001 St.Gallen
058 229 33 18
gleichstellung@sg.ch
Benötigen Sie Unterstützung bei konkreten Vorfällen, dann wenden Sie sich an:
- Opferhilfe SG – AR – AI
Teufenerstrasse 11
9001 St.Gallen
071 227 11 00
info@ohsg.ch
www.ohsg.ch
- Kinderschutzzentrum
Falkensteinstrasse 84 (Standort für Beratungen und Besprechungen)
9000 St.Gallen
071 243 78 92
info.ksz@kispisg.ch
www.kinderschutzzentrum.ch
Auf der Plattform www.sexualerziehung-eltern.ch von Kinderschutz Schweiz und SEXUELLE GESUNDHEIT SCHWEIZ finden Eltern und andere Bezugspersonen von Kindern Informationen rund ums Thema «Sexuelle Entwicklung und Begleitung».