Die Ansprüche rund ums Thema Schulweg sind dabei mehrfach: Kindern soll das Erlebnis des selbstständigen Schulweges ermöglicht werden, Eltern sind zu ermutigen, dieses Erlebnis den Kindern nicht vorzuenthalten, im Unterricht ist das Thema Verkehr, Sicherheit und Schulweg zu behandeln. Die Schulangebote und die Schulzuteilung der Kinder müssen so organisiert sein, dass selbstbestimmte Schulwege möglichst erhalten bleiben, und die Zusammenarbeit mit Fachleuten bei der Gestaltung der öffentlichen Strassenräume soll dazu beitragen, dass die Schulwege genügend sicher und attraktiv bleiben.
Verantwortung für den Schulweg
Ist der Schulweg zumutbar, liegt der ordentliche, vom Stundenplan bestimmte Schulweg der Kinder zwischen Elternhaus und Schule in der Verantwortung der Eltern. Es ist somit Sache der Eltern und nicht der Schule, dafür zu sorgen, dass ihr Kind auf dem Schulweg nicht zu Schaden kommt und nicht andere schädigt.
In folgenden Situationen liegt die Verantwortung jedoch bei der Schule:
- Das Schulkind legt schulinterne Schulwege zurück (z.B. von der Schule zur Sportanlage oder zu einem ausserhalb der Schulanlage gelegenen Mittagstisch).
- Das Schulkind ist zwar zwischen dem Schul- und Elternhaus unterwegs, durch Zutun der Schule jedoch nicht auf der ordentlichen Strecke (z. B. nach einem Museumsbesuch oder Lager) bzw. nicht zu den Zeiten gemäss Stundenplan.
- Der ordentliche Schulweg ist nicht zumutbar.
Pro Woche werden im Schweizer Strassenverkehr rund 26 Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren verletzt oder getötet. Insgesamt wurden im Jahr 2017 1’152 Kinder leicht, 185 Kinder schwer verletzt und 6 Kinder verunfallten tödlich. Bis zum Alter von etwa 9 Jahren sind Kinder im Verkehr vor allem als Zufussgehende gefährdet und abgeschwächt als Mitfahrende von Motorfahrzeugen. Zwischen 10 und 14 Jahren nehmen die Unfälle als Lenkende von Fahrzeugen – insbesondere als Lenkende von Velos – markant zu. Tendenziell ist die Zahl der verunfallten Kinder seit Jahren abnehmend, wobei immer noch die meisten zu Fuss zu Schaden kommen.
Verhalten auf dem Schulweg
Bei Kindern bis zum Alter von ca. 8 Jahren ist das Verkehrsverhalten zu Fuss noch wenig stabil. Das Verhalten mit dem Velo ist sogar so defizitär, dass eine Teilnahme am Strassenverkehr noch nicht zu empfehlen ist. Erst zwischen 8 und 14 Jahren entwickeln sich die erforderlichen Fertigkeiten.
Typische Verhaltensweisen
- geprägt von Spieltrieb und Neugier
- spontanes und ungeduldiges Reagieren
- lassen sich leicht ablenken
- grosser Bewegungsdrang
- lassen sich von Gefühlen steuern
- eher langsam, aber abrupte Richtungswechsel und Änderungen der Gehgeschwindigkeit
Körpergrösse
- Unterschiedliche Perspektive zu Erwachsenen, weniger Überblick
Sehen und Hören
- begrenzteres Blickfeld als Erwachsene
- Nah- und Fernbereichseinstellungen des Auges sind langsam
- unsystematische visuelle Suche
- eingeschränktes Richtungshören
- beschränkte Geräuschdifferenzierung
- selektive auditive Aufmerksamkeit
Motorische Fähigkeiten
- Koordination von Sehen und Hören noch nicht voll entwickelt
- Bewegungen können nicht sofort abgebrochen werden
- verzögerte Reaktionszeit
- Gleichgewicht noch nicht voll ausgeprägt
Wahrnehmung und Verkehrssinn
- Mangelnde Routine im Verkehr verursacht falsche Reaktionen und beschränkt vorausschauendes Handeln
- egozentrischer Weltbezug verhindert Verständnis für Verkehrsabläufe
- Einschätzen von Entfernungen erst ab ca. 6 Jahren möglich – dann entwickelt sich auch das Gefahrenbewusstsein
- zuverlässige Geschwindigkeitseinschätzung erfolgt erst ab ca. 10 Jahren
Die Rolle von Lehrpersonen
Für die Lehrpersonen ist es wichtig, den Eltern und den Kindern zu vermitteln, dass der Weg zwischen dem Zuhause und der Schule Ort und Zeit zum Entdecken, Erfahren und Lernen bietet. Dabei können sich die Kinder in den Kompetenzbereichen weiterentwickeln, die auch an der Schule gefördert werden.
Für die Abdeckung der im Lehrplan festgelegten Ziele bezüglich Verkehrssicherheit bietet die Kantonspolizei St.Gallen den Schulen eine bedarfsgerechte Verkehrsinstruktion an, deren Inhalte nach Klassenstufen definiert sind. Wird dies so gemacht, kann die Klassenlehrperson das Augenmerk auf ergänzende Aspekte richten, zum Beispiel Kinder für die selbstständige Bewältigung des Schulweges motivieren oder das Erleben des Schulweges reflektieren.
Es gibt zahlreiche Lehrmittel, Broschüren und Materialien mit Ideen, wie der Schulweg im Kindergarten bzw. in der Primarschule fächerübergreifend im Unterricht behandelt werden kann.
Beispielsweise können im Unterricht Bilder- oder Lesebücher behandelt, Schulwegzeichnungen angefertigt, Schulwegverse oder -lieder gelernt, eigene Leuchtzeichen oder -westen gestaltet sowie Schulwege der Kameradinnen und Kameraden gegenseitig abgelaufen werden. Materialien und Ideen finden sich bei Anbietern von Unterrichts- und Lehrmitteln.
Kompetenzvermittlung in der Schule
Die eigenen Eltern sind die primären Bezugspersonen von Kindern für den Schulweg: Sie sind sowohl als Vorbilder als auch als Hauptverantwortliche für die Verkehrserziehung gefordert. Als Erziehungsberechtigte planen sie idealerweise sichere Routen zur Schule, aber auch zu Spielplätzen und befreundeten Familien. Im Hinblick auf die Kompetenzvermittlung spielen aber auch die Lehrpersonen eine wesentliche Rolle.
Der Lehrplan Volksschule des Kantons St.Gallen enthält im Fachbereich Natur, Mensch, Gesellschaft (NMG) den Kompetenzbereich «Menschen nutzen Räume – sich orientieren und mitgestalten». Eine dort aufgeführte Kompetenz greift im Zusammenhang mit der Orientierung in der Umgebung den Schulweg für die Zyklen 1 und 2 in folgenden Kompetenzstufen auf:
Das sichere Velofahren, ein Schulthema nach der 4. Primarklasse, ist zudem im Fachbereich Bewegung und Sport (BS) im Lehrplan verankert (BS.5.1c). Zudem bietet die Kantonspolizei St.Gallen den Schulen eine bedarfsgerechte Verkehrsinstruktion an, deren Inhalte nach Klassenstufen definiert sind.