Exponierte Berufsgruppen, zu denen Lehrerinnen und Lehrer gehören, aber auch Behörden im Allgemeinen müssen mit einem gewissen Risiko leben. Dort, wo sie jedoch das tolerierbare Mass überschreiten oder die Form von Gewalt annehmen, ist ihnen entschieden entgegenzutreten. Eine Möglichkeit sich zur Wehr zu setzen, bietet eine Anzeige bei der Polizei oder bei einem der Untersuchungsämter der Staatsanwaltschaft.
Auf dieser Seite soll betroffenen Lehrerinnen und Lehrern auf- gezeigt werden, wie eine Drohung oder Nötigung durch eine Anzeige angegangen wird und wie ein solches Verfahren abläuft, um ihnen bei der Entscheidung die notwendige Sicherheit zu vermitteln.
Nach Drohungen: was muss abgewogen werden?
- Ist die Drohung ernst gemeint?
- Ist die Drohung mit einer Forderung verbunden?
- Hat die bedrohte Person Angst?
- Soll polizeiliche oder eine andere Unterstützungsform gesucht und angenommen werden?
Welche Fragen werden durch die Polizei geprüft?
- Ist polizeilich eine Gefahr abzuwenden und sind entsprechend Sofortmassnahmen zu ergreifen?
- Liegen dem Sachverhalt strafrechtlich relevante Tatbestände zugrunde und ist damit die Strafverfolgung aufzunehmen?
Zur Beantwortung beider Fragen ist es unumgänglich, die Fakten näher zu prüfen. Der Anzeigeerstatter, (auch als «Geschädigter» bezeichnet), wird zum Vorfall angehört und zu den wichtigen Punkten gezielt befragt. Über die Angaben des Geschädigten wird ein Befragungsprotokoll erstellt.
Drohung vs. Nötigung im Schweizerischen Strafgesetzbuch (StGB)
Art. 180 StGB
Drohung
Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder Busse bestraft.
Art. 181 StGB
Nötigung
Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.
Schritte im polizeilichen Ermittlungsverfahren im Falle einer Drohung
Zur Verfolgung der Straftat ist es notwendig, dass der Beschädigte den erforderlichen Straffantrag stellt.
- Das Antragsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem dem Antragsberechtigten (Lehrer) bekannt wird, wer der Täter (Vater) ist.
- Der Berechtigte kann seinen Strafantrag zurückziehen, solange das Urteil erster Instanz noch nicht verkündet ist. Wer seinen Strafantrag zurückgezogen hat, kann ihn nicht nochmals stellen.
- Hat der Antragsberechtigte ausdrücklich auf den Antrag verzichtet, so ist der Verzicht endgültig.
- Wenn der Beschädigte keinen Strafantrag stellt, dann nimmt die Polizei auch keine weiteren Handlungen zum Zwecke der Strafverfolgung vor.
Weiter bleibt zu prüfen, ob Massnahmen zur Gefahrenabwehr getroffen werden müssten. Bei einer schwereren Bedrohungslage (z.B. wenn eine Waffe im Spiel wäre) könnten sich, trotz Verzicht auf einen Strafantrag, polizeiliche Massnahmen zum Schutze des Opfers und der Allgemeinheit aufdrängen.
Schritte im polizeilichen Ermittlungsverfahren im Falle einer Nötigung
Im Falle der versuchten Nötigung wird die Strafverfolgung von Amtes wegen aufgenommen. Die Polizei ist dazu verpflichtet, sobald sie vom Delikt erfährt. Diese beinhaltet die folgenden Schritte:
- Anzeigerapport
- Polizeiliche Einvernahme
Es ist jeweils zu prüfen, ob ein Beschuldigter durch untersuchungsrichterlich anzuordnende Zwangsmassnahmen von der Polizei am Wohnort abgeholt oder ob er zum Befragungstermin schriftlich vorgeladen wird. Werden beim Untersuchungsrichter Zwangsmassnahmen beantragt, dann führt dieser fortan das Verfahren und es liegt in seinem Ermessen, Zwangsmassnahmen (z.B. in Form eines Vorführbefehles) anzuordnen
- In besonderen Situationen: Inhaftierung
- Entspannung herbeiführen
Sollte der beschuldigte Vater geständig sein und die Tat (sei es die Drohung oder der Nötigungsversuch) bereuen, dann ist im Hinblick auf die Entschärfung der Situation schon einiges erreicht. Es gehört auch zur Aufgabe der polizeilichen Sachbearbeiterin, durch Einwirken auf den Beschuldigten eine Entspannung herbeizuführen (z.B. durch Abnahme des Versprechens, die Drohung nicht wahr zu machen).
Die mit dem Einvernahmeprotokoll ergänzten Anzeigeakten werden nun dem Untersuchungsamt zugestellt. Die polizeilichen Ermittlungen sind damit abgeschlossen.
Rolle der Staatsanwaltschaft
- Leitung der Ermittlungen (Prüfung der von der Polizei getroffenen Massnahmen und Erteilung der nötigen Anweisungen)
- Eröffnung einer Strafuntersuchung Verdacht einer strafbaren Handlung
- Einvernahme der/des Beschuldigten und evtl. auch der Klägerin/des Klägers
- Abklärung aller bedeutsamen Umstände im Zusammenhang mit der Tat und der Täterin/dem Täter
Nach vollständiger Untersuchung: Richterliche Verfügung:
- Anklageerhebung
- Erlass Abschlussverfügung mit Urteil (Strafbefehl, Sistierung, Einstellung, Abtreten oder Nichtanhandnahme)
- Festlegung Urteil und Strafmass
Drohung oder Nötigung? Die relevanten Gesetzesartikel nach StGB sowie Ablauf und Zuständigkeiten.
Im Schweizerischen Strafgesetzbuch (StGB) gibt es klare Gesetzesartikel zu diesem Thema. Die Unterscheidung von Drohung und Nötigung ist strafrechtlich relevant und wird anhand eines Beispiels aufgezeigt.
Beispiel
Lehrer X. hat schon seit längerer Zeit Schwierigkeiten mit einem 13-jährigen Schüler. Nach mehreren Ermahnungen lädt er die Eltern schriftlich zu einem Gespräch ein. Der Vater des Schülers reagiert auf die Einladung mit einem Telefonanruf an die Privatadresse des Lehrers. In aggressivem Ton weist er dem Lehrer alle Schuld für das schulische Versagen seines Sohnes zu. Er werde zu dem Gespräch nicht erscheinen. Mit dem Satz «Und passen Sie bloss auf! Ich werde Sie spitalreif zusammenschlagen, sobald Sie mir begegnen!», beendet der aufgebrachte Vater das Telefonat.
Denkbar wäre im vorliegenden Beispiel auch die folgenden Aussage gewesen: «Ich werde Sie spitalreif zusammenschlagen, falls Sie meinen Sohn nicht in Ruhe lassen und ihm wieder ein schlechtes Zeugnis ausstellen sollten!»
Gesetzeslage
Art. 180 StGB
Drohung
Wer jemanden durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt, wird, auf Antrag, mit Gefängnis oder Busse bestraft.
Art. 181 StGB
Nötigung
Wer jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.
Der Tatbestand der Drohung ist erfüllt, wenn der Täter dem Opfer einen schweren Nachteil in Aussicht stellt und dieses – damit die Tat (d.h. Drohung) vollendet ist – tatsächlich in Angst und Schrecken versetzt. Die Drohung braucht nicht ernst gemeint, sondern nur nach der Vorstellung des Täters wirksam zu sein oder vom Opfer ernst genommen zu werden. Es handelt sich hierbei um ein Antragsdelikt. Dies bedeutet, dass die Tat nur verfolgt wird, wenn das Opfer die Bestrafung des Täters ausdrücklich beantragt.
Der Tatbestand der Nötigung hingegen ist ein Offizialdelikt, d.h. es bedarf keines ausdrücklichen Strafantrages. Der Täter wird von Amtes wegen verfolgt.
Bei der Anzeige durch den Lehrer ist im ersten Fall («Ich werde Sie spitalreif zusammenschlagen, sobald Sie mir begegnen!») Art. 180 StGB – Drohung – anwendbar.
Im zweiten Fall («Ich werde Sie spitalreif zusammenschlagen, falls Sie meinen Sohn nicht in Ruhe lassen und ihm wieder ein schlechtes Zeugnis ausstellen sollten!») handelt es sich um Art. 181 StGB, d.h. Nötigung. Weil der Täter die nötigende Handlung mit der oben erwähnten Aussage ausgeführt hat, aber der Erfolg nicht eingetreten ist, wird von einer versuchten Nötigung auszugehen sein. Dieser Tatbestand beinhaltet zugleich die Drohung.
Weitere mögliche Tatbestände
Anstelle der Drohung und des Nötigungsversuchs sind in unserem Beispiel auch Tatbestände wie Tätlichkeit oder Körperverletzung denkbar: Der Vater nimmt den Besprechungstermin wahr und greift den Lehrer an Ort und Stelle tätlich an. In allen Fällen von strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben sind bei der Strafverfolgung die gleichen Zuständigkeiten gegeben; auch der Ermittlungs- und Untersuchungsablauf ist grundsätzlich derselbe.
Möglich wäre auch, dass Lehrer X. lediglich in ehrenrühriger Art und Weise beschimpft wird, sei es am Telefon oder anlässlich der Besprechung. Die Beschimpfung, Art. 177 StGB, wird, auf Antrag, mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Busse geahndet. Bei strafbaren Handlungen gegen die Ehre geschieht die Verfolgung und Beurteilung auf dem Wege des Privatstrafklageverfahrens. Die Ehrverletzungsklage ist schriftlich oder mündlich beim Vermittler einzuleiten. Bei öffentlich-rechtlichen Angestellten kann die Wahlbehörde auf Gesuch des Verletzten die Durchführung des ordentlichen Verfahrens vor der Staatsanwaltschaft anordnen.
Zuständigkeit bei Minderjährigen
Bei Verfahren gegen Kinder und Jugendliche (in unserem Beispiel könnte statt des Vaters ein noch nicht 18-jähriger Bruder des Schülers Täter sein) ist die Jugendanwaltschaft für die Behandlung zuständig; urteilende Behörden sind Jugendanwaltschaft bzw. Jugendgericht.